Die bayerische Wirtschaft

Deutschland hat Zukunft

Kongress Aktionsrat Bildung 2024

Bildung und sozialer Zusammenhalt

Muss Kindergarten Pflicht werden?

Kindertageseinrichtungen spielen eine entscheidende Rolle für den sozialen Zusammenhalt. Sie bieten Kindern aus verschiedenen familiären Hintergründen die Möglichkeit zur Inklusion, durch Spracherwerb, interkulturelle Vernetzung und Freundschaften.

Kindertageseinrichtungen sind in Deutschland traditionell in einer sozialpädagogischen Tradition in die Kinder- und Jugendhilfe eingebunden. Somit nehmen die Förderung sozioemotionaler Kompetenzen und damit auch die Förderung von Kompetenzen, die zur sozialen Kohäsion beitragen, einen großen Stellenwert im Bildungsauftrag ein. Sozioemotionale Kompetenzen werden durch strukturierte Aktivitäten wie Gespräche, Spiele und das Einhalten sozialer Regeln gefördert, was prosoziales Verhalten und Konfliktlösung fördert. Es gibt auch unterschiedliche programmatische Ansätze für Kinder mit besonderem Förderbedarf in diesem Bereich.

Mehr dazu im Gutachten ab S. 82.

Was hat gute Klassengemeinschaft mit Zusammenhalt in der Gesellschaft zu tun?

Für eine erfolgreiche Ausrichtung auf das Gemeinwohl in der Sekundarstufe sind drei Schlüsselfaktoren relevant: die Förderung von Verantwortungsübernahme, die Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten und die Vermittlung demokratischer Kompetenzen. Schülerinnen und Schüler sollen ein Verantwortungsgefühl für das Gemeinwohl entwickeln und lernen, gemeinsam vereinbarte Regeln einzuhalten.

Partizipationsmöglichkeiten, wie etwa Klassensprecherwahlen und Schülermitverwaltungen, ermöglichen es den Lernenden, aktiv an schulischen Entscheidungsprozessen teilzunehmen (vgl. Veerman/Denessen 2021). Partizipationsstrukturen in Form von Tutorenprogrammen, Theater- und Sportgruppen etc. können ein schulisches Umfeld bereitstellen, das sowohl die individuellen Potenziale einzelner Schülerinnen und Schüler stärkt als auch die gemeinsame Identität mit der Schule und den dort angebotenen Partizipationsmöglichkeiten (vgl. Beutel u. a. 2016).

Mentoring-Programme, insbesondere für benachteiligte Kinder und Jugendliche, tragen zur individuellen Förderung und zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts bei (vgl. Resnjanskij u. a. 2021).

Ein konsequentes und systematisches Monitoring und fortlaufende Evaluation sind entscheidend, um die Qualität dieser Maßnahmen zu überprüfen und Schulen in ihrer Entwicklung zu unterstützen (vgl. Corcoran u. a. 2018).

Mehr dazu im Gutachten ab S. 122.

Brauchen wir mehr College-Feeling an deutschen Hochschulen?

Das Campusleben, einschließlich der Teilnahme an Hochschulsport und Studierendenklubs, ist entscheidend für die soziale Integration von Studierenden. Verschiedene Studierendenverbände bieten Möglichkeiten zur aktiven Mitgliedschaft und Übernahme von Führungsaufgaben, was sich positiv auf die Entwicklung von Autonomie, Unabhängigkeit und der Festlegung von Zielen auswirken kann (vgl. Foubert/Grainger 2006). Auch wenn nicht kausal geklärt werden kann, ob bestimmte persönliche Anlagen die Beteiligung in Vereinigungen und die Übernahme von Führungsaufgaben fördern, so dürfte die Teilnahme an Vereinen das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit stärken, während das Studium eine wichtige Phase für den Aufbau sozialer Netzwerke darstellt, sowohl beruflich als auch privat. Die Gemeinschaft aus Kommilitoninnen und Kommilitonen mit ähnlichen Interessen begünstigt das Knüpfen neuer Kontakte. So gibt es in der Regel vielfältige Gelegenheiten für informelle Kontakte oder zur Bildung von Arbeits- und Lerngruppen, die die Teamarbeit und die Identifikation mit dem Fach und der Hochschule fördern. Forschungsergebnisse zeigen, dass soziale Kohäsion nicht nur als "soziales Kapital" für das weitere berufliche und private Leben gilt, sondern auch für den Studienerfolg von Bedeutung ist.

Mehr Informationen dazu im Gutachten ab S. 180ff.

Gutachten 2024

Bildung und sozialer Zusammenhalt

Im Gutachten geht der Aktionsrat Bildung der Frage nach, welchen Beitrag das Bildungssystem leisten kann, um den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nachhaltig zu stärken.

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vbw Podcast

#12: Bildung und sozialer Zusammenhalt

Wie kann unser Bildungssystem den sozialen Zusammenhalt stärken? Dieser Frage geht Redakteurin Katharina Muth gemeinsam mit Prof. Dr. Bettina Hannover und Schulleiterin Simone Aslanidis nach.

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Zusammenfassung des Kongresses am 24.04.2024

vbw Präsident Wolfram Hatz eröffnete die Veranstaltung und betonte die Bedeutung umfassender altersgerechter Sprachförderung für den sozialen Zusammenhalt. Weiterhin erklärte er: „Statt Investitionen nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen, müssen wir sie zielgerichtet einsetzen. Um einzuschätzen, wo der Investitionsbedarf am größten ist, schlagen wir die generelle Einführung eines Sozialindex als Steuerungsinstrument vor, um zu verdeutlichen, wo die Investitionen am meisten gebraucht werden.“ Auch verwies er auf die Bedeutung des Ehrenamtes für bürgerschaftliches Engagement und die Vermittlung demokratischer Werte zur Förderung des sozialen Zusammenhaltes.

Der Beitrag des Bildungssystems

Der Zusammenhalt unserer Gesellschaft wird aktuell durch vielfältige Krisen und Herausforderungen auf die Probe gestellt. Das Bildungssystem kann entscheidend dazu beitragen, die erforderliche Integrationskraft unserer zunehmend individualisierten Gesellschaft zu stärken.

In seinem neuen Gutachten „Bildung und sozialer Zusammenhalt“ beleuchtet der Aktionsrat Bildung den Begriff des sozialen Zusammenhaltes zunächst aus historischer, psychologischer und ökonomischer Perspektive. Im Anschluss werden die Besonderheiten und Bedarfe der einzelnen Bildungsphasen – von der frühen Bildung bis zur Weiterbildung – diskutiert. 
Die Inhalte des Gutachtens wurden von drei Mitgliedern des Aktionsrates Bildung vorgestellt. Zu den psychologischen Hintergründen referierte Frau Prof. Dr. Bettina Hannover, Leiterin des Arbeitsbereichs Schul- und Unterrichtsforschung im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie an der FU Berlin. Sie erläuterte die drei Kerndimensionen des Konzeptes der sozialen Kohäsion: „Soziale Beziehungen“, „Ausrichtung auf das Gemeinwohl“ und „Identifikation“ im Sinne einer sozialen Identität.
Prof. Dr. Tina Seidel, Head of Department Educational Sciences, Inhaberin des Lehrstuhles für Pädagogische Psychologie, TU München, ging auf die Herausforderungen des sozialen Zusammenhaltes in der Primar- und Sekundarstufe ein. Sie formulierte konkrete Empfehlungen, wie das Schulsystem auf allen Ebenen – von der individuellen Sprachförderung und Elternarbeit bis zur Aufnahme konkreter Maßnahmen und Ziele in die Rahmen- und Lehrpläne – den Zusammenhalt der Schüler*innen unterstützen und Ausgrenzungen und Mobbing wirksam unterbinden kann.
Die zentralen Herausforderungen für die Hochschule und berufliche Bildung wurden von Prof. Dr. Karl Wilbers, Inhaber des Lehrstuhles für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung an der FAU Erlangen-Nürnberg vorgestellt. Entlang der Kerndimensionen sozialen Zusammenhaltes erläuterte er für beide Bereiche zentrale Strategien zur Stärkung des sozialen Zusammenhaltes. Im Bereich der beruflichen Bildung ging er u. a. auf rechtliche Aspekte der Erwerbsmigration ein. Im Bereich Hochschule fokussierte er die gesellschaftliche Integrationskraft von Universitäten entlang der Kernaufgaben Lehre, Forschung und Transfer.
Im Rahmen einer Gesprächsrunde diskutierten Vertreter*innen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zentrale Ergebnisse und Empfehlungen der Studie. Im Mittelpunkt stand die Frage, durch welche konkreten Maßnahmen sozialer Zusammenhalt auf individueller und institutioneller Ebene gestärkt werden kann.

Vortragende und Podiumsteilnehmer*innen

  • Bettina Stark-Watzinger MdB, Bundesministerin für Bildung und Forschung, Berlin
  • Christine Streichert-Clivot, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Berlin
  • Dr. Christine Modesto, Ministerialdirigentin, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, München
  • Stefan Düll, Präsident, Deutscher Lehrerverband, Berlin 
  • Theresa Rathß, stv. Bezirksschülersprecherin, Berufliche Schulen Unterfranken, Würzburg
  • Prof. em. Dr. Dr. h. c. Dieter Lenzen, Vorsitzender des Aktionsrates Bildung, Universitätspräsident a. D.
  • Prof. Dr. Bettina Hannover, Leiterin des Arbeitsbereichs Schul- und Unterrichtsforschung im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Freie Universität Berlin
  • Prof. Dr. Tina Seidel, Head of Department Educational Sciences, Inhaberin des Lehrstuhles für Pädagogische Psychologie, Technische Universität München
  • Prof. Dr. Karl Wilbers, Inhaber des Lehrstuhles für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • Prof. Dr. Nele McElvany, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS), Technische Universität Dortmund
  • Dr. Christof Prechtl, stv. Hauptgeschäftsführer, vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., München
Stimmen aus der Praxis

Für junge Menschen ist der Lernort Schule von großer Bedeutung für die Unterstützung im Erwerb sozialer Kohäsion.
In qualitativ hochwertiger Weise muss den Schülerinnen und Schülern ein ausgeprägtes soziales Verantwortungsbewusstsein
vermittelt und aktiv erlebbar gemacht werden. Im Rahmen des Kongresses wurden zwei Schulen vorgestellt, die sich durch die
engagierte und nachhaltige Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler für Gemeinsinn und sozialen Zusammenhalt auszeichnen.

Städtische Realschule Heinsberg

Franz-Oberthür-Schule Würzburg